KKV-Aktuell, Ausgabe 4-2024


Foto: Thomas Michalski

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Die 7 Laster/Todsünden

Im März waren auf dem Titelbild die Tugenden abgebildet. Heute soll es um die Laster (Todsünden) gehen.
Auf sieben Bildtafeln am Wedekind-Haus, Rathausstraße 21/Marktplatz am obersten Geschoss der Front (durch den rechten Erker durchlaufend) sind die sieben Laster von links nach rechts dargestellt.
Die Idee der Todsünden ist im mönchischen Leben des fünften nachchristlichen Jahrhunderts entstanden. Über Hunderte von Jahren wurde ein Sündenkatalog entwickelt, erprobt und verfeinert und schließlich von ursprünglich acht auf sieben festgelegt.
Sünden entstehen nach der klassischen Theologie aus sieben schlechten Charaktereigenschaften:

  1. Superbia – Hochmut (Stolz, Eitelkeit, Übermut)
  2. Avaritia – Geiz (Habgier, Habsucht)
  3. Luxuria – Wollust (Ausschweifung, Genusssucht, Begehren, Unkeuschheit)
  4. Ira – Zorn (Jähzorn, Wut, Rachsucht)
  5. Gula – Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Unmäßigkeit, Selbstsucht)
  6. Invidia – Neid (Eifersucht, Missgunst)
  7. Acedia – Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Überdruss, Trägheit des Herzens)

Und heute?

Erst einmal würde man keine lateinischen Begriffe verwenden, sondern englische:
Pride (Hochmut, Stolz), Lust (Wollust, Begierde), Greed (Gier, Habgier), Envy (Neid, Missgunst), Sloth (Faulheit), Wrath (Zorn, Wut), Gluttony (Völlerei, Unersättlichkeit).
Und die zusätzlich schlimmsten Sünden unserer Zeit?
Apathie, Gleichgültigkeit oder Denkfaulheit, Selbstsucht, Heuchelei, Intoleranz, Grausamkeit und Zynismus und andere, die mit einer Vielfalt von Begriffen verwendet werden.

Regina Michalski

Vorwort

Muss man Europa lieben?

Zugegeben, so richtige, positive Emotionen kochen bei der EU nicht (mehr) hoch.
Dabei gab es bereits für den bekannten französischen Philosophen und Aufklärer Voltaire nur eins: die „Europäische Republik“ als Gemeinschaft der Humanität mit aufgeklärter Gläubigkeit, Wissenschaft und Bildung, alles getragen vom Geist der Freiheit. Allerdings kümmerte das schon seinerzeit die französischen Könige wenig, wenn es um Krieg und Machtgewinn ging.
Viel später, nach zwei Weltkriegen, forderte Winston Churchill „eine Art Vereinigte Staaten von Europa“. De Gaulle strebte ein „Europa der Vaterländer“ an. Auch Konrad Adenauer, Robert Schuman und Alcide De Gasperi wollten den Teufelskreis aus Hass und Krieg durchbrechen. Sie haben den Weg der europäischen Einigung durchaus enthusiastisch eingeschlagen, auch wenn man natürlich jeweils gerne ein französisch oder englisch dominiertes Europa und eigene Interessen berücksichtigt gesehen hätte.
Ein (Bundes-)Staat ist bis heute nicht entstanden. Rechtlich ist die EU nach der innovativen Wortschöpfung des Bundesverfassungsgerichtes ein „Staatenverbund“, also etwas mehr als ein reiner Staatenbund.
Statt dessen hört man von vielerlei Streitigkeiten, europäischen Vorgaben bis in das kleinste Detail, immer weiteren, neuen bürokratischen Regelungen, Erweiterungsrunden ohne Vertiefung der EU, dem Wunsch nach „eigenen EU-Schulden“, Aufnahmekandidaten, denen man zwar den Hang zu EU-Subventionen, nicht aber das klare Bekenntnis zu europäischen Werten abnimmt und beigetretene Mitgliedsstaaten, die diese wesentlichen EU-Wertevorgaben „nicht prioritär“ behandeln.
Von vereinbarten Verschuldensgrenzen der Mitgliedsstaaten oder dem Austritt Groß Britanniens ganz zu schweigen. Der emotionalen Begeisterung hat das über die Jahre jedenfalls sicher Abbruch getan.
„Vereinigte Staaten von Europa“ fordern in der alten Form bei genauerem Hinsehen nur noch Ursula von der Leyen (vielleicht von Amts wegen) und der kürzlich verstorbene Wolfgang Schäuble.
Ein Blick auf die Faktenlage zeigt aber auch: Die Welt ist massiv im Umbruch. Europa wird von innen wie von außen herausgefordert. Demokratie und Soziale Marktwirtschaft werden zunehmend hinterfragt.
Dem setzt die EU als Wertegemeinschaft einen festen Anker entgegen.
Die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit, die pluralistische Demokratie, die Toleranz, die Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte einschließlich des Minderheitenschutzes bilden das Fundament der Europäischen Union (Artikel 2 des EU-Vertrages in der Fassung des Vertrags von Lissabon).
Und immerhin, die EU hat seit über 70 Jahren Frieden in Europa garantiert (zumindest zwischen ihren Mitgliedsstaaten). Dies ist eines der gewichtigsten Argumente für ihre Existenz, was ihr 2012 auch den Friedensnobelpreis eingebracht hat.
Hauptargument bleibt weiter auch, dass kein Mitgliedsstaat seine Interessen weltweit besser vertreten könnte als die EU zusammen (von der Bedeutung des Binnenmarktes an dieser Stelle einmal abgesehen).
Hinzu kommen erkennbar weitere Aufgaben. Die Lage in Amerika könnte z.B. dazu führen, dass auch Aufgaben der Verteidigung zunehmend EU-Angelegenheit werden, vielleicht ist das sogar eine Chance?!
Fazit: Die Europäische Union ist weiter eine Union der Staaten, aber inzwischen auch der Bürger. Sie hat eine doppelte Legitimitätsgrundlage durch die Mitgliedstaaten (diese vertreten durch die Regierungen) und durch die Bevölkerung (diese vertreten durch das Europäische Parlament).
Man muss die EU nicht lieben (man kann und darf es natürlich), perfekt ist sie sicher nicht.
Respekt verdient sie allemal. Die Logik allein führt dazu, dass man sie zumindest respektieren sollte, zumal es kaum bessere Alternativen gibt.
Die Wahl zum EU-Parlament ist mit steigender Bedeutung der EU immer bedeutsamer geworden und auch und gerade in diesem Jahr nicht geeignet, Protest- oder Spaßstimmen abzugeben, dazu geht es um zu viel.

Christian Berndt